Realität

Ich muss die letzten Tage wieder mehr über die Wahrnehmung der Wirklichkeit nachdenken. Vielleicht habe ich wieder zu viel Zeit im Internet verbracht. Immer wenn ich doomscrolle hinterlässt dies einen diffusen Eindruck von dem was da draußen passiert. Es ist nicht unbedingt so, dass es an den von mir konsumierten Medien liegt, da ist schon viel Gutes dabei, nur schleicht sich ein Gefühl zwischen die Zellen, dass man die Dinge nicht unter einen Hut bringen kann. Mein Kopf möchte das aber unbedingt, sucht nach dem Zugriff, den weltenformelhaftigen Blickwinkel der mich verstehen lässt.

Objektiv weiß ich, das kann nicht funktionieren. Nur ist die Sehnsucht nach der großen Formel sehr groß. Neurologisch betrachtet, suche ich nach bekannten Mustern um Unsicherheiten zu minimieren. Wir sind halt doch irgendwie nur einfache Wesen die ihre Grundbedürfnisse stillen müssen. Obwohl ich diesen Blickwinkel natürlich auch als zu negativ empfinde. Darum versuche ich mich von dieser Ebene in eine höhere zu begeben. In der Hoffnung ein Narrativ zu finden, welches für mich für diesen Moment funktioniert. Ich lese gerade Markus Gabriel. Einige seiner Ansätze zum Zugriff auf die Welt sind die Folgenden:

Gabriel argumentiert gegen die Annahme, die gesamte Wirklichkeit sei naturwissenschaftlich beschreibbar (“Physikalismus”). Er betont die Realität von Bewusstsein und Werten, die nicht auf physikalische Prozesse reduzierbar seien. Er kritisiert auch den “Neuronalismus”, der geistige Zustände als bloße Hirnphänomene abtut. Stattdessen sieht er das Gehirn als “Empfänger” von Wirklichkeit, der Informationen filtert und formatiert, aber nicht erzeugt.

Ein weiterer zentraler Punkt ist Gabriels These, dass “die Welt nicht existiert”. Er argumentiert, dass es unendlich viele “Sinnfelder” gibt (z.B. die Welt der Physik, die Welt der Moral, die Welt der Fiktion), die nicht zu einer allumfassenden Welt zusammengefügt werden können. Dinge existieren in diesen Sinnfeldern, aber nicht in einer übergeordneten Welt. So existieren z.B. fiktive Figuren wie Madame Bovary in ihrem jeweiligen Sinnfeld.

Insgesamt möchte mein Denken auch immer mehr in diese Richtung gehen. Auf eine Art kann es tröstlich erscheinen keinen echten Rahmen für das eigene Denken und Sein finden zu können, weil es keinen gibt. Unsere Realität ergibt sich aus Variablen, auf die wir kaum Einfluss haben, und eben daraus, wie wir mit ihnen umgehen. Die meisten Dinge können wir kaum beeinflussen, aber den Blickwinkel aus dem wir darauf schauen. Das erinnert mich auch an Gilles Deleuze. Die Welt ist und bleibt ein unbegreifliches Chaos, ich kann mir aber einen Rahmen bauen, der nur für mich sinn-stiftend ist. Dann kann ich mich auf die Dinge konzentrieren, die für mich wichtig sind.

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