Jiminy Glick

Humor ist so eine Sache. Die jeweiligen Vorlieben sind so breit gefächert wie die Menschen selbst. Zu sagen, es gibt den einen Humor, den auf den sich alle einigen können, ist so sinnlos wie egal. Es gibt sie zwar, die auf die sich so gut wie alle einigen können, nur tendieren diese Komiker:innen eben auch etwas in Richtung Oberflächlichkeit. Vielleicht ein Preis den man zahlen muss um in der Masse funktionieren zu können. Umso mehr freue ich mich, wenn nischige Künstler:innen in breiter aufgestellten Medien auftauchen oder große Medien-Outlets sich ins subversivere wagen. Was ich seit Jahren verfolge, sind die vielen Facetten von Saturday Night Live aus den USA. Ein Format, dass seit Jahrzehnten ein Urquell für gute Comedy (darf man den Begriff noch nutzen?) ist. Da wird mit so viel Liebe und Akribie lustiges produziert, dass es eine wahre Freude ist. Alleine die Namen der Weltstars die aus dem Universum erwachsen sind, ist schier endlos. Für den Cast der aktuellen Staffel auserkoren zu werden ist in dem Bereich ein absoluter Ritterschlag.

Einer, der mir bisher eher nicht aufgefallen ist, war Martin Short. Natürlich habe ich seine Existenz mitbekommen, er hat in so vielen Produktionen gespielt, Drei Amigos, Mars Attacks, Die Reise ins Ich, etc. Sicherlich war er auch in den USA bekannter, es kommen unzählige Fernsehproduktionen hinzu. Dank YouTube allerdings, bin ich in ein besonderes Rabbit Hole gefallen: Jiminy Glick! Jiminy ist ein von Short erfundener Charakter. Ein Journalist und Interviewer der besonderen Art. Im Laufe der Jahrzehnte hat er mit diesem Charakter viele hoch dekorierte Persönlichkeiten interviewed. Und zwar auf die Art, wie es nur Jiminy machen kann.

Man verliebt sich schnell in Jiminy Glick. Und das, obwohl er sehr häufig gemein zu seinen Gästen ist und eher egozentrisch. Nicht selten geht es in Wahrheit mehr um ihn selbst. Er macht dies jedoch auf so eine liebevolle Art und Weise, dass man ihm nicht böse sein kann. Short selbst hat einmal über seinen Charakter gesagt, er sei ein “moron with power” und wollte damit Menschen persiflieren, die an eine gewisse Machtposition gekommen sind und damit nicht umgehen können. Im Fall von Jiminy also einem Journalisten, dem man sich ausliefern muss, um in den Medien stattzufinden. Die Gäste wissen natürlich Bescheid, sind aber trotz alledem nicht selten überfordert mit dem Tsunami der über sie bricht. Denn Jiminy ist eine Macht und nimmt fast den ganzen Platz im Setting ein, der normalerweise den Gästen zusteht.

Seine Performance hat eine riesige Bandbreite. Man kann nicht aufhören dem Unfall eines Interviews beiwohnen zu wollen. In den absurdesten Situationen entsteht trotz dem Bewusstsein in einem Comedy-Sketch zu sein, eine Hilflosigkeit bei den Gesprächspartner:innen, dass es eine Freude ist. Er überschreitet jede Grenze in der Konversation, ist ungehalten, streut spontan Anekdoten ein die komplett Off-Topic sind, zeigt sich spontan verletzlich und angegriffen oder verletzt sich beinahe beim Versuch sich bequem hinzusetzen. Im Laufe der Jahre hat die Biographie von Jiminy immer mehr Facetten bekommen, unmöglich dem Sinnhaftigkeit abverlangen zu können, aber das macht es aus. Der Zugriff auf seine Welt ist nur zu erlangen wenn man mit Liebe und Abneigung gleichzeitig auf das Geschehen und Popkultur schaut. Ich nehme Short ab, dass er Entertainment liebt und gleichzeitig verachtet. Jede der absurden Situationen scheint irgendwie doch inspiriert von der Realität, es könnte auch echt sein.

Kurz gesagt, schaut euch Jiminy Glick an, es ist ein Parforceritt durch Jahrzehnte Hollywood-Unterhaltung.Wenn er Mel Brooks fragt: “Now, I have to ask you, What’s your beef with the Nazis?”, dann ist es entlarvend und erlösend zugleich. Wenn er Steven Spielberg erklärt wer die Hauptrolle in Schindlers Liste gespielt hat und später nach hakt wann es denn wohl endlich mit einem großen Film klappt, dann verliert alles seinen Rahmen und nichts scheint mehr eine Rolle zu spielen. Wir sind Fassade und alles hat Brüche. Es ist so schön das zu sehen. Bill Hader kann jedenfalls kaum seine Contenance halten, und das ist wunderbar. Finde nur ich das unfassbar lustig?

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