Zum Stand der Dinge

Die Tage sind lang, die Jahre kurz. Das stillschweigende Ausbreiten des Steinschlags in der Scheibe markiert den Bruch, manifestiert das Ungewollte, das was nicht mehr aufzuhalten ist.

Ich stehe, irgendwo am Atlantik, mit den Füssen in der steinigen Brandung und fühle für einen kurzen Moment Befreiung von den mich umgebenden Gedanken. Es wäre längst Zeit gewesen loszulassen, auf vielen Ebenen. Zu akzeptieren was nicht zu ändern ist, obgleich es nie nie Chancengleichheit gab, nie den Willen zum Ausgleich der Interessen. Alles schien wie auf Schienen auf Unvermeidliches hinzusteuern.

Der Bruch kam 2018. Wir waren vorbei. Das war meine Entscheidung, zugegeben, das Ende einer Partnerschaft kann beidseitig erfolgen, muss aber nicht. Da war nichts mehr was es zu erhalten wert gewesen wäre. Kein gemeinsam, kein Miteinander, nur zwei Menschen auf der Suche nach Sinn, die Eine vehementer als der Andere. Sicher, es gab Lügen und Betrug, und damit massive Verletzungen, aber die Schuldfrage ist die nach Ethik und Moral. Der Verwaltungsakt Scheidung in den Folgejahren stellt diese Frage zu keinem Zeitpunkt. Die Auseinandersetzung um eine möglich folgende freundschaftliche Beziehung, geschweige denn die um eine elementar wichtige elterliche Beziehung, stellte diese Frage unentwegt. Sie war der Sog unter jeder Kommunikation und machte dieselbige disfunktional bis zum heutigen Tag.

Es ging um Deutungshoheit, den Kampf der Systeme, um die richtige Ideologie. Dies manifestierte sich in etlichen Petitessen um Hab und Gut, im Streit um Umgang und die Angst vor wirtschaftlichen Untergang. Alles gut nachvollziehbar, jedoch der Sargnagel für das was wirklich notwendig war, dem Austausch auf Augenhöhe. Dem wurde natürlich zu keinem Zeitpunkt Rechnung getragen, zu sehr wurden Standpunkte betoniert, der Vernunft eine Absage erteilt. Man möchte so sehr glauben, Andere haben es auch hinbekommen, es wird wohl möglich sein sich zu einigen, aber hier entscheidet sich, wer dem verletzten Selbstwert mehr oder weniger Raum einberaumen mag.

So kam es wie es kommen musste, die unvermeidliche Identitätskrise. Wichtige Säulen der Identität brachen weg und konnten nicht gefüllt werden. Es fühlt sich gewaltvoll an, so als ob einem etwas gestohlen wird. Man könnte es durch Austausch füllen, wenn jedoch derselbige zu einer dauerhaften Auseinandersetzung wird, ideoligisiert wird, vom Patriarchat gesprochen wird, dann reißt das Loch noch weiter auf. Sicher, es ist einfach sich auf diesen Ideologieinseln zu verstecken, aber zu suchen haben diese sicher etwas auf Gesellschaftlicher Ebene, nicht auf der persönlichen Ex-Partner Ebene. Man macht es sich zu leicht, sucht den Sündenbock und findet ihn ihn.

Für mich bedeutete es weitgehende Chancenlosigkeit. Die Kinder davon zu überzeugen, es gebe eine zweite Heimat jenseits des Bekannten, eine weitere Option des Zusammenlebens, war unmöglich ohne das existieren einer funktionalen Elternbeziehung. Kein Ort der den alten ersetzen sollte, einer neuer Ort mit neuen Funktionen und Regeln. Nein, es sollte alles so bleiben wie es ist. Kein transformatives Element wurde zugelassen. Die unterschwelligen Botschaften waren klar, das Leben fern der Heimat darf nicht sein, es ist ein Unrechtstaat, ohne Legitimation. Am einfachsten sah man es an den Zimmern der Kinder in der neuen Ferne, sie blieben unbelebte Enklave, sie blieben Transitort. Sie hatten Möbel, aber kein Herz.

Nun fehlte es nicht an Versuchen dies zu ändern, es sollten Gespräche stattfinden, mit Gesprächsbegleitung von Institutionen. Klar ist, Kinder entscheiden sich nach einer Trennung häufig. Das ist weitestgehend ein unterbewusster Prozess. Sie geraten unfreiwillig in einen Loyalitätskonflikt der sich aufstaut wie das Wasser in einem Stausee, sehnsüchtig wartend auf Entladung. Es bedarf eines freien, offenherzigen Umgangs mit der Situation, Ehrlichkeit und Erklärung der Situation. Wenn die Situation vom anderen Elternteil nicht angenommen wird, ist es zum Scheitern verurteilt. Für einen selbst, für die spätere neue Partnerin, für die Kinder. Gespräche mit Institutionen führten also keinem nennenswerte Ergebnis, niemand sollte sich der Auseinandersetzung und der eigenen Verantwortung stellen. So war mein Schicksal besiegelt. Für mich mich blieb einzig der verwalterische Akt über Anwalt und Behörden, eine Scheidung gäbe es ohne meine Initiativen bis heute nicht. Es gab keinerlei ernsthaftes Bestreben einen ernstgemeinten Interessenausgleich zu finden. Oft nur die Wahl was man als nächste kaputt machen muss um der unerträglichen Situation zu entrinnen. Sämtliche Parteien behielten sich vor sich nicht zur Lösungsfindung zu positionieren, man blieb im eigenen sicheren Elfenbeinturm.

Mit Abstand betrachtet, Ruhe ist nun eingekehrt, Scheidungen vollzogen, die Dinge auseinander dividiert, gilt es nun den Blick nach vorne zu richten. Nicht zu weit, es lohnt sich weder in der Vergangenheit, als auch zu weit in der Zukunft zu leben. Nur der Gegenwart lohnt es die Dinge abzuringen derer wir habhaft werden können. Selbst im Hier und Jetzt sind uns Grenzen der Selbstwirksamkeit gesetzt. Und doch bleibt die Hoffnung sich eines Tages sinngebend erklären zu können, die Türen zur Erkenntnis zu öffnen, nicht belehrend, nur zeigen, dass der eigene Blickwinkel ein valider war. Nicht der Einzige, aber Gründe hatte. Perspektiven schaffen. Kausalitäten anerkennen.

Vorwärts ist keine Richtung


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