Im letzten Artikel “Verschiebungen” habe ich zum eigenen Bauchgefühl geschrieben, welches sich aus den Ereignissen und Diskursverschiebungen der letzten Jahre speist. Ich möchte hier einmal ein paar Erkenntnisse teilen, die versuchen wollen die Tendenzen einzuordnen. Die Krautreporter haben den Politikwissenschaftler Veith Selk letzte Woche zum Ende der Demokratie befragt. Hier sind die Bulletpoints:
“Erleben wir gerade das Ende der Demokratie?”
- Die liberale Demokratie erlebt ihr langsames Ende, da die Zahl der demokratischen Regime seit einigen Jahren zurückgeht.
- Die Entdemokratisierungswelle wird nicht enden, da die Rahmenbedingungen für die Demokratie ungünstig sind.
- Die ungleiche Verteilung von Geld übersetzt sich in ungleichen politischen Einfluss, da politische Vorhaben nur umgesetzt werden, wenn in der Oberklasse Zustimmung vorherrscht.
- Die Politik wird komplizierter, da moderne Gesellschaften stark ausdifferenziert sind und die Politiker:innen darauf reagieren.
- Die Öffentlichkeit ist ein Raum der Debatte, aber auch der Verwirrung und der Propaganda, was die Demokratie schwächt.
- Die Bürger müssen einigermaßen wissen, wie die Institutionen funktionieren und was in der Politik passiert, um gleichberechtigt an der Demokratie teilhaben zu können.
- Der Rechtspopulismus ist eine Form von politischer Mobilisierung, die selektiv einige Probleme aufspießt und teilweise richtig trifft, aber isoliert, verallgemeinert und für die eigenen Zwecke ausnutzt.
- Die Zukunft der Demokratie ist ungewiss, aber es könnte ein sehr langes Weiterwursteln geben, mit anhaltender Erosion und Unzufriedenheit, ohne dass sich an der Malaise etwas Grundlegendes verändert.
Was muss also darauf folgen? Mir wird eines immer klarer, auch die liberale Gesellschaft und Politik muss auf die eigene Art populistischer werden. Falsch wäre es so zu machen wie die Konservativen, die rechten Narrative zu übernehmen und dieses gleichzeitig noch so zu tun als sei man die AfD auf Speed. Man wird zur Kopie und schiebt den Diskurs unaufhaltsam nach Rechts. Aber einen Weg zu finden die Dinge zu benennen und richtig zu adressieren, da braucht es keinen Weichspüler mehr. Die Wähler:innen die nicht sowieso schon verloren sind weil sie kernideoligisch faschistisch sind, muss man ignorieren, hier gibt es kein Land zu gewinnen. Die Wähler:innen aber die Angst haben, ihnen geht es Morgen nicht mehr so wie heute, die konkret Verlustängste haben, denen muss man das Versprechen geben, dass es ihnen Morgen nicht schlechter geht, sie nicht im Regen stehen gelassen werden. Die heißen Eisen müssen endlich auch als diese benannt werden. Zum Beispiel durch die 5 elementaren Faltungen von Anders Levermann:
- vollständige CO² Nullemission bis 2045
- vollständiger Stopp von Rohstoffabbau
- Beschränkungen von Unternehmensgrößen durch ein dynamisches Steuersystem
- maximaler Unterschied zwischen kleinsten und größtem Einkommen
- maximale Höhe von Erbschaft wird gedeckelt
Ja, richtig! Endlich ran an Konzern- und Spekulationsübergewinne, die Erbschaftssteuer, den niedrigen Mindestlohn und die zu teure Butter! Die Menschen müssen sich ihr Leben leisten können. Nur das wollen sie hören, nichts anderes. Wahr oder falsch interessiert sie nicht mehr, da kann man noch so oft mit Fakten kommen und erklären, da wird abgeschaltet. Zu oft hat man ein Wohlstandsversprechen gegeben, der Kontostand am Ende des Monats sagt etwas anderes.
Lasst euch nicht mehr ablenken von der Aufmerksamkeitsökonomie liebe Politik!!