Die Geschehnisse seit der Amtseinführung von Donald Trump überschlagen sich. “Flood the floor with shit”-Manier auf allen Kanälen hinterlässt große Ratlosigkeit in mir, trotzdem scheint sich im Nebel ein Muster abzubilden. All die Vorgänge scheinen doch direkt oder indirekt darauf ausgerichtet zu sein, den Staat freundlich gesagt zu minimieren. Realistischer jedoch gesagt, sieht es so aus, als wenn man den amerikanischen Staat zerstören will. Und dann stellt sich mir die Frage: Warum das Ganze? Welche Ziele werden verfolgt? Streng genommen ist nichts davon eine wirkliche Überraschung. Alle Beteiligten, glaube ich muss gar keine Namen nennen, haben ihre Ansichten und Pläne bereits mehrmals dar gelegt und praktiziert. Seit Kurzem haben sie allerdings die Möglichkeit und Machtverhältnisse auch wirklich alle Wege bis zum Ende gehen zu können. Wir erleben also wie in den letzten Jahrzehnten scheinbar manifestierte, demokratische Gegebenheiten im Minutentakt aufgelöst werden. Die Annahmen von Gestern gelten nicht mehr.
Das Ganze scheint einer Ideologie zu folgen. Einer Ideologie die wir alle in verschiedenen Ausprägungen kennen. Sie wird von den beteiligten Akteuren oft als Freiheit dar gestellt, als liberal bei den wirtschaftlich orientierten Parteien und vornehmlich libertär bei den rechten Parteien. Freiheit klingt ja erstmal gut, wir wollen alle frei sein in unseren Entscheidungen und Privilegien. Das sind wir natürlich nicht, Einschränkungen der persönlichen Freiheit sind elementar für den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft. Aber welche Freiheit wollen denn jetzt die liberal/libertär denkenden Gruppen?
Definition des libertären Freiheitsbegriffs:
Im Zentrum des libertären Freiheitsbegriffs steht die individuelle Freiheit. Diese wird primär als negative Freiheit definiert. Das bedeutet Freiheit von Zwang, Intervention und Einmischung durch den Staat oder andere Individuen. Es geht darum, einen möglichst großen Raum für die Selbstbestimmung des Einzelnen zu schaffen.
Wichtige Aspekte dieser Definition sind:
- Individuelle Autonomie: Der Einzelne wird als eigenständiges, verantwortliches Individuum betrachtet, das das Recht hat, über sein eigenes Leben, seinen Körper, sein Eigentum und seine Entscheidungen selbst zu bestimmen.
- Freiheit von Zwang: Der Staat soll sich auf den Schutz der individuellen Rechte beschränken und darf nicht in die freiwilligen Interaktionen der Bürger eingreifen, solange diese die Rechte anderer nicht verletzen. Zwang soll nur zur Abwehr von Aggression und zur Durchsetzung von Recht eingesetzt werden.
- Selbstverantwortung: Mit Freiheit geht einher die Verantwortung für die eigenen Entscheidungen und deren Konsequenzen. Der libertäre Freiheitsbegriff betont die Eigenverantwortung des Individuums.
- Freiwilligkeit: Interaktionen zwischen Menschen sollen auf freiwilliger Basis beruhen, sei es im wirtschaftlichen Austausch, in sozialen Beziehungen oder in anderen Bereichen des Lebens.
Prämissen des libertären Freiheitsbegriffs in wirtschaftsnahen und rechten Parteien:
Diese Parteien teilen oft folgende grundlegende Annahmen, die ihren Freiheitsbegriff prägen:
- Individualismus: Der Einzelne steht im Mittelpunkt. Die Gesellschaft wird als Summe von Individuen gesehen, nicht als Kollektiv. Das Wohl des Einzelnen und seine Freiheit sind oberste Priorität.
- Beschränkte Regierung (Minimalstaat): Der Staat soll eine möglichst kleine Rolle im Leben der Bürger spielen. Seine Hauptaufgaben sind der Schutz von Leben, Freiheit und Eigentum (innere und äußere Sicherheit, Rechtsstaatlichkeit). Jegliche über diese Kernaufgaben hinausgehende staatliche Aktivität wird tendenziell als Einschränkung der Freiheit betrachtet.
- Freie Märkte und Eigentumsrechte: Der freie Markt wird als der effizienteste und gerechteste Weg angesehen, um Ressourcen zu verteilen und Wohlstand zu schaffen. Privateigentum wird als fundamental für die individuelle Freiheit betrachtet. Eingriffe in den Markt durch staatliche Regulierungen, Subventionen oder hohe Steuern werden als Freiheitsbeschränkungen gesehen.
- Wirtschaftliche Freiheit als Kern der Freiheit: Oft wird der Fokus stark auf die wirtschaftliche Freiheit gelegt. Dazu gehören unter anderem:
- Unternehmensfreiheit: Freiheit zur Unternehmensgründung, freie Berufswahl, geringe Regulierungen für Unternehmen.
- Freie Handel: Abbau von Handelsbarrieren, Freihandel auf nationaler und internationaler Ebene.
- Niedrige Steuern und Staatsausgaben: Geringe Steuerbelastung für Bürger und Unternehmen, um Anreize für wirtschaftliche Aktivität zu schaffen und den staatlichen Einfluss zu minimieren.
- Deregulierung: Abbau staatlicher Vorschriften und Auflagen, um Bürokratie abzubauen und Innovationen zu fördern.
- Eigenverantwortung und Ablehnung von Sozialstaat: Ein starker Fokus auf Eigenverantwortung bedeutet oft eine kritische Haltung gegenüber einem umfassenden Sozialstaat. Sozialleistungen werden tendenziell als Eingriff in die individuelle Freiheit und als Anreiz zur Abhängigkeit vom Staat gesehen. Unterstützung für Bedürftige soll primär durch private Initiativen und Wohltätigkeit erfolgen.
- Rechtsstaatlichkeit und Schutz der Bürgerrechte: Ein starker Rechtsstaat, der die Bürgerrechte und das Eigentum schützt, ist essentiell. Dies beinhaltet Gleichheit vor dem Gesetz, faire Gerichtsverfahren und den Schutz vor staatlicher Willkür.
Unterschiede und Nuancen innerhalb der wirtschaftsnahen und rechten Parteien:
Obwohl es gemeinsame Prämissen gibt, können die Interpretationen und Schwerpunkte innerhalb dieser politischen Spektren variieren:
- Wirtschaftsnahe Parteien (oftmals liberale oder wirtschaftsliberale Parteien): Hier steht oft die wirtschaftliche Freiheit im Vordergrund. Der Fokus liegt stark auf Deregulierung, Steuersenkungen, Freihandel und der Reduzierung staatlicher Eingriffe in die Wirtschaft. Soziale Fragen werden oft nachrangig behandelt oder unter dem Aspekt der Eigenverantwortung gesehen.
- Rechte Parteien: Der Begriff “rechte Parteien” ist sehr unspezifisch und umfasst ein breites Spektrum. Einige rechte Parteien können den libertären Freiheitsbegriff stark in den Vordergrund stellen, besonders in wirtschaftlicher Hinsicht (manchmal als “wirtschaftsliberal-konservativ” bezeichnet). Andere rechte Parteien legen möglicherweise mehr Wert auf traditionelle Werte, nationale Identität und Ordnung, wodurch der Fokus auf rein wirtschaftliche Freiheit etwas in den Hintergrund treten kann. In manchen Fällen kann es auch zu Spannungen zwischen libertären Wirtschaftsvorstellungen und konservativeren sozialen oder kulturellen Positionen kommen. Beispielsweise könnte eine rechte Partei in der Wirtschaftspolitik libertäre Ansätze verfolgen, in gesellschaftspolitischen Fragen aber stärker auf traditionelle Strukturen und staatliche Eingriffe (z.B. in der Familienpolitik oder bei kulturellen Fragen) setzen.
Kritische Betrachtung:
Es ist wichtig zu erwähnen, dass der libertäre Freiheitsbegriff, besonders in seiner wirtschaftsnahen und rechten Ausprägung, auch kritisiert wird. Einige Kritikpunkte sind:
- Vernachlässigung sozialer Gerechtigkeit: Kritiker argumentieren, dass ein reiner Fokus auf negative Freiheit zu großer Ungleichheit führen kann und soziale Gerechtigkeit vernachlässigt wird. Ein uneingeschränkter freier Markt könne dazu führen, dass die Starken immer stärker und die Schwachen immer schwächer werden.
- Ignorierung struktureller Ungleichheiten: Kritisiert wird, dass der libertäre Freiheitsbegriff bestehende strukturelle Ungleichheiten (z.B. aufgrund von Herkunft, Geschlecht oder sozialem Hintergrund) nicht ausreichend berücksichtigt, die die tatsächliche Freiheit und Chancengleichheit von Individuen einschränken können.
- Reduzierung von Freiheit auf wirtschaftliche Freiheit: Der Vorwurf lautet, dass Freiheit zu stark auf wirtschaftliche Freiheit reduziert wird und andere Aspekte von Freiheit, wie soziale, kulturelle oder politische Freiheit, vernachlässigt werden.
- Mangelnde Solidarität: Die starke Betonung der Eigenverantwortung und die Ablehnung eines umfassenden Sozialstaates können als mangelnde Solidarität mit den Schwächeren in der Gesellschaft kritisiert werden.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der libertäre Freiheitsbegriff in wirtschaftsnahen und rechten Parteien stark auf die individuelle negative Freiheit, den Minimalstaat, freie Märkte und Eigenverantwortung fokussiert ist. Hier kann man sehr wohl die Frage stellen, ob eine Gesellschaft nicht einen anderen Fokus haben muss in seinen Ziel sich weiter entwickeln zu können. (Ein paar Gedanken zum Thema Gewinnmaximierung) Bei einer Partei wie der CDU mag das noch auf dem Boden der Demokratie stehen, ganz sicher bin ich mir beim aktuellen Führungspersonal nicht, bei den rechten Parteien bekommt es allerdings sehr schnell einen faschistischen Anstrich. Eine Demokratie wie wir sie bisher hatten, ist dort der erklärte Gegner und muss zerstört werden. Muss zu Ende gedachter Kapitalismus am Ende zum Faschismus führen?