#tiktokpropaganda

Propaganda ist ein Teil politischer und oder gesellschaftlicher Kommunikation die es schon immer gab. Wikipedia sagt:”Propaganda, systematischer Versuch, öffentliche Sichtweisen zu formen durch gezielte, oft desinformatorische Verbreitung politischer Ideen.” “Mein Kampf” war Propaganda in einer Zeit, in der man zum Beispiel in Form eines Flugblattes oder eines Buches Desinformation verbreiten konnte. Heute gibt es andere Möglichkeiten, und ich möchte hier aus einer persönlichen Empfindung heraus sagen, die Entwicklung macht mir Angst. Ich möchte diese Empfindung mit zwei Beobachtungen untermauern. Ein aktuelles Beispiel für eine neue Dimension von Propaganda in Zeiten von vernetzten Algorithmus-gesteuerten Medien ist die Verbreitung vom Brief des Osama Bin Laden an das amerikanische Volk von 2002. Dieser Brief ging viral und wurde in zahlreichen TikToks neu kontextualisiert, so dass der Eindruck entstand, Denkweisen des Terroristen wären auch nur in irgendeiner Form verhandelbar.

Die heutige Propaganda bedient sich dabei Mechanismen, die es früher so nicht gab. Junge Menschen bedienen sich in ihrer Wahrnehmungswerdung Medien wie TikTok, lassen sich fallen in einen fortlaufenden Strom von aneinander gereihten Videos, einer Melange aus algorithmisch bestimmten Beiträgen deren wie zufällig wirkender Ablauf sich speist aus Reaktion und Klickfähigkeit, bezahltem Boost und Logiken der Aufmerksamkeitsökonomie. Gleichzeitig sind die Apps so gebaut, dass unser Belohnungszentrum im Gehirn permanent getriggert wird, wir spüren also schon nach kurzer Zeit eine Abhängigkeit der wir nur schwerlich entkommen können.

In diesem Kontext können selbst alte Texte wie der Brief von Bin Laden neuen Nährboden bekommen um innerhalb dieser Mechanismen wieder zum Leben zu erwachen. Ein Text der nur so trieft von Anti-Amerikanismus, Antisemitismus und Fundamentalismus erhält durch die parasoziale Beziehung zum Influencer eine neue propagandistische Dimension derer sich viele nicht entziehen konnten. Die algorithmisch getriebene Neukontextualisierung wird sozusagen stochastisch affirmativ zu einem Gegenentwurf des bereits von Historiker:innen gedeuteten.

Der Begriff “stochastischer Terrorismus” wurde von Wissenschaftlern folgendermaßen beschrieben: „..die Nutzung von Massenmedien, um willkürliche Akte ideologisch motivierter Gewalt zu provozieren, die statistisch vorhersehbar, aber individuell nicht vorhersehbar sind“ (Hamm, M. S. & Spaaij, R. [2017] Es soll dabei erklärt werden wie sich radikalisierende Einzeltäter in digitalen Netzwerken gegenseitig befeuern können. Die Medien wie TiKTok, Telegram oder X bieten so die Echokammern um sich gegenseitig zu radikalisieren ohne sich als gemeinsames Terrornetzwerk zu verstehen. Während es also früher einsame Wölfe gab die lokal gefährlich werden können, kann das Internet großflächig Radikalisierungen ermöglichen die Gewalt in einer anderen Dimension bedeuten.

Wie also dem entgegen treten? Ich komme immer wieder an Punkt wo klar wird, dass die großen Unternehmen, und hier muss ich sie oberflächlich in Schutz nehmen, marktkontextual agieren. Sie machen das, was kurz-, mittel- und langfristig ihrer Wirtschaftlichkeit dient. Jetzt haben wir als Gesellschaft politisch gesehen Möglichkeiten dieses agieren einzugrenzen, das machen wir schon an vielen Punkten, bei global agierenden Unternehmen wie Meta oder TikTok wird dies aber immer schwieriger. Selbst wenn man zum schwersten aller Mittel greift und einen Dienst sperrt, kommt es erstmal nur zur Verlagerungen dieser Dynamiken auf andere Dienste. Unsere Demokratie muss also immer mehr aushalten und kann sich aufgrund ihrer freiheitlich ausgerichteten Werte eher schwierig wehren.

Was mir hier etwas Hoffnung gibt, wir sind natürlich keine leeren Gefäße, wir sind durchaus fähig zu Kontextualisierung, haben durchaus auch soziale Beziehungen außerhalb des Internets die Blickwinkel situativ schärfen oder entzerren können. Fast erscheint es mir so, als sei dies die einzige und damit wichtigste Form der Wehrhaftigkeit gegen Algorithmen die oberflächlich helfen wollen, die Sichtweisen aber pervertieren können. Gleichwohl steigt der Druck in einem Bildungssystem, dass bisher nicht mithalten kann mit der Geschwindigkeit in Netzwerken, das aber sehr wohl die Verantwortung hat die Welt so zu erklären dass Vernunft und Verantwortung für das Gemeinwohl an erste Stelle rückt. Die Gesellschaft muss hier ganz andere Leitplanken setzen wie vor 20 Jahren.

Seid nett zu einander.


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